Der Dodo

Dies ist eine Geschichte vom Aussterben.

Eine Geschichte, die voll ist von sinnloser Gewalt, mit exotischen Inseln und mit jeder Menge Vögeln. Trotzdem spielt James Bond nicht mit.

Eine Geschichte, die überfließt von Wehmut und Trauer - jedoch ohne Kitsch und überflüssige Tränen. Es ist die - außerordentlich gut erzählte - Geschichte von der Dronte.

Sie beginnt dort, wo sie endet. Auf einer kleinen Insel mitten im Indischen Ozean. Auf einer Insel mit dem Namen Mauritius.

Mauritius liegt so weit vom nächsten Festland entfernt, daß sich ähnlich wie an anderen abgelegen Orten wie Australien, Galapagos oder Kirchenthumbach (Opf.) eine ganz eigene Tier- und Pflanzenwelt entwickeln konnte.

Unter den ausgesprochen merkwürdigen Wesen, die sich häufig an solchen Stellen herausbilden, gibt es immer wieder einige, die noch seltsamer sind als alle anderen.

Auf Mauritius hatte die Evolution nun einen Vogel hervorgebracht, der war häßlich. Richtig häßlich. So häßlich, daß er auffiel. So häßlich, daß ihn die holländischen Seefahrer, die ihm als erste Menschen gegenübertraten, den Ekelvogel (holl. warghvogel) hießen.

Heute sind wir natürlich aufgeklärt und politisch korrekt, weshalb wir ihn auch als den Dodo, also den, naja, Dödelvogel (port.: dodo=Tolpatsch) bezeichnen.

Menschen kamen erst spät nach Mauritius. Die ersten waren die oben erwähnten holländische Seefahrer vor rund vierhundert Jahren. Ein wenig später kamen die Portugiesen, dann die Franzosen und schließlich die Engländer. Auch indische Kaufleute machten ihre Aufwartung.

Sie alle hatten eines gemeinsam: Sie waren tausende Kilometer auf engen Schiffen unterwegs gewesen. Das bedeutete, daß sie zum einen ausgehungert nach frischer Nahrung und zum anderen - nach Monaten auf immer den gleichen paar Quadratmetern mit immer den gleichen Leuten - zu Tode gelangweilt waren.

Und sie brachten Haustiere mit: Schweine, Hunde, Ziegen - und natürlich die allgegenwärtigen Schiffsratten.

Der Dodo hatte einfach nur Pech. Er hatte auf Mauritius keine natürlichen Feinde und war deshalb über die Jahrmillionen bequem und ein bißchen rund um die - nennen wir es einmal Hüften - geworden. Also legte er seine Eier in ein ungeschütztes Nest am Boden. Er lief nicht weg. In Tausenden von Generationen hatte es kein Dodo nötig gehabt, vor irgend etwas oder irgend jemandem wegzulaufen. Und so wurden er und seine Eier den Neuankömmlingen eine leichte Beute.

Nicht daß er gut geschmeckt hätte. Im Gegenteil. Sein Fleisch war zäh und schmeckte ranzig und wurde mit längerem Kochen eher ledriger als weicher. Aber seine Eier scheinen recht lecker gewesen zu sein. Sie mundeten den Seeleuten, sie schmeckten den Schweinen, und die Schiffsratten bekamen auch ihren Teil.

Auch wenn man ihn nicht essen konnte: Es muß ein Heidenspaß gewesen sein, einen Dodo zu jagen. Er muß so fürchterlich dämlich ausgesehen haben, wenn man ihn denn doch dazu brachte, daß er weglief, daß sich die Seeleute einen Sport daraus machten, soviele Dodos wie möglich zu erschlagen. Viele wurden auch gefangen und als Souvenirs nach Europa und Indien mitgenommen. Fern von zu Hause starben sie allerdings schnell. Eine Züchtung ist niemandem gelungen.

Hundert Jahre nach den ersten Berichten über seine Existenz gab es keinen Dodo mehr. So gründlich wurde der Vogel ausgerottet, daß nicht einmal ein ausgestopfter übrig blieb. So kann man beispielsweise heute nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen, welche Farbe sein Gefieder wohl hatte.

Alles was uns bleibt sind ein Haufen Skelette und ein paar Beschreibungen von den Seeleuten, die das - in den meisten Fällen recht einseitige und kurze - Glück hatten, einer lebenden Dronte zu begegnen.

Von einigen der Dodos, die mit nach Indien und Europa genommen wurden, existieren Zeichnungen, die allerdings nur mehr oder weniger genau sind. Die wahrscheinlich treffendste stammt aus Indien (siehe Seitenüberschrift). Die Plumpheit der anderen Darstellungen ist wohl darauf zurückzuführen, daß der Dodo, der eine natürliche Neigung zum Ansammeln von Fett hatte, in Gefangenschaft noch kräftig überfüttert wurde.

Was den Dodo so wichtig macht

Zunächst: Das Aussterben des Dodo war so entsetzlich unnötig, daß es der dicksten Sau graust. Das allein wäre an und für sich schon Grund genug, sich ganz wahnsinnig aufzuregen.

Abgesehen davon gibt es aber auf Mauritius den Kalvarienbaum. Von dessen Nüssen hatte sich der Dodo ernährt. Und offensichtlich war der der einzige, der deren harte, holzige Schale knacken konnte. Dazu hatte der Dodo die eigentümliche Technik entwickelt, kleine Steine zu fressen, mit deren Hilfe sein Magen dann in die Nüsse zerkleinerte.

Als es dann keinen Dodo mehr gab, gab es plötzlich auch keine neuen Kalvarienbäume mehr. Die Nüsse waren zu hart, um von selbst zu keimen. So war dann auch der jüngste Kalvarienbaum etwa dreihundert Jahre alt, als vor einiger Zeit jemand auf den Gedanken kam, die Nüsse mit einem Hammer aufzuschlagen.

Heute gibt es wieder junge Kalvarienbäme, die Gattung wird dem Dodo noch nicht ins Aussterben folgen. Aber das Beispiel zeigt wie kaum ein anderes, wie leicht es ist, die Kontrolle über ein labiles Gleichgewicht zu verlieren, und es zeigt im kleinen, was uns auf globaler Ebene passieren kann, wenn wir nicht gut aufpassen.

Dodo trifft Dodo

Am Mittwoch, den 21. August 1996, ist es soweit: Dodo trifft Dodo. Es geschieht im Naturhistorischen Museum zu Paris, wo der eine Dodo als Maskottchen für die Abteilung Aussterbende und ausgestorbene Arten herhält. Der andere ist nur auf Urlaub und mußte Eintritt zahlen.

Am Montag, den 6. September 1999, trifft Dodo zwei weitere Dodos. Diesmal im Naturhistorischen Museum in London.

Wo ich den Dodo gefunden habe

Mein Wissen über den und mein Interesse am Dodo sowie die Bilder stammen v.a. aus den folgenden Quellen:

Literatur
 
Museen
 
Andere
 
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